27. Januar 2023

Sprache und Sein: Lesung mit Kübra Gümüşay

Wie beeinflusst die Sprache unser Sein als Menschen?

Mit dieser Frage beschäftigt sich Kübra Gümüşay in ihrem Buch “Sprache und Sein” und in der Lesung, die sie am 21.11.2022 an unserer Schule hielt. Kübra Gümüşay ist eine deutsch-türkische Journalistin, politisch-feministische Aktivistin und Autorin.

 

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Die Sprache beeinflusst unsere Wahrnehmung der Welt, erklärte sie, sei es das Wahrnehmen bestimmter Ereignisse aufgrund unserer Möglichkeit diese zu benennen oder die Perspektive, mit der wir die Welt um uns herum betrachten. Gümüşay veranschaulichte dies mit verschiedenen Beispielen, Geschichten und berühmten Zitaten.

Eine persönliche Geschichte von ihr, die sie uns erzählte, erklärte das türkische Wort “Yakamoz”. Ein Wort, für das es keine direkte deutsche Übersetzung gibt.

Sie berichtete von einer Situation, in der eines ihrer Familienmitglieder auf das Meer zeigte und vom schönen Yakamoz sprach. Da sie das Wort nicht kannte, wusste sie nicht, was gemeint war. Als ihr die Bedeutung erklärt wurde, die Reflexion des Mondscheins auf dem Meer, bemerkte sie diese erst. Die Benennung dieses Phänomens, hat ihre Aufmerksamkeit erstmal darauf gelenkt. Diese und andere Geschichten verdeutlichen, dass die Benennung in der Sprache unsere Aufmerksamkeit lenkt.

Ein weiteres Beispiel von ihr, erzählt von einer Kultur und dessen Sprache, die weder rechts noch links als Prinzip verwendet, stattdessen verwendet sie die Himmelsrichtungen. Im Gegensatz zu Menschen aus Deutschland haben die Menschen aus dieser Kultur ein Gefühl für die Himmelsrichtungen. Sie können ohne jegliche Angaben von z.B. Uhrzeit oder Sonnenstand mit Sicherheit die Himmelsrichtungen bestimmen. Für uns ist das erstaunlich, aus ihrer Sicht jedoch selbstverständlich. In dem Gebrauch von unterschiedlichen Begriffen zeigt sich auch eine andere Perspektive. Mit der Verwendung von rechts und links, bestimmen wir uns selbst als Fokus. Je nachdem wie wir selbst stehen, beschreiben wir die Welt. Sie allerdings sehen den Menschen als Punkt auf der Weltkarte. Der Mensch bewegt sich auf dieser, bestimmt jedoch nicht den Fokus.

Der andere Schwerpunkt der Lesung war der politische Einfluss der Sprache und wie diese Stereotype fördert. Dies erklärte sie uns mit Hilfe eines Gedankenexperiments: dem Museum der Sprache. Dieses Museum beinhaltet alles, was eine Sprache ausmacht: alle Gegenstände mit ihren Definitionen. In diesem Museum gibt es zwei Arten von Menschen, die Unbenannten und die Benannten. Die unbenannten Menschen sind die, die die Sprache machen. Sie selbst sehen sich als den “Standard”, weshalb sie keine Benennung benötigen.

Benannte Menschen sind all diejenigen, die von den Unbenannten abweichen, sei es in der Herkunft, dem Geschlecht, dem Aussehen, der Sexualität oder vielem mehr. Diese benannten Menschen befinden sich in Glaskäfigen mit Definitionen, während die Unbenannten sich frei im Museum bewegen können. Die Definitionen sind Beschreibung dieser Gruppe von Menschen aus Sicht der Unbenannten. Sie werden als Gruppe gesehen: alleFrauen, alle Muslime, alle Homosexuelle. Unbenannte werden als Individuen angesehen, während die Benannten dafür kämpfen müssen, nicht kategorisiert zu werden.

Die Benannten können gegen die Glaswände laufen, versuchen, gegen diese zu protestieren, aber in der Regel wird der Käfig eventuell vergrößert, jedoch nie zerstört.

Schließlich stellt sich die Frage, wie sich dieses Problem von ungleichen Machtverhältnissen zwischen Benannten und Unbenannten beheben lässt. Dies wurde auch Kübra Gümüşay im Anschluss der Lesung gefragt. Sie antwortete, dass es wichtig sei, die Eingrenzungen durch die Kategorisierung aufzulockern und das Ablegen von Stereotypen zu erkämpfen.

Nach der Lesung hatten wir Schüler_innen noch die Möglichkeit uns mit der Autorin zu unterhalten und mit ihr zu diskutieren.

Es kamen mehrere Punkte zur Sprache, z.B. wie das Leben als benannte Person Menschen dazu zwingt, ihre Energie zu verwenden, um sich von schädlichen Klischees abzugrenzen; Energie, die einem an anderer Stelle fehlt. Diese Menschen müssen mehr Energie aufbringen, als die Unbenannten.

Ebenfalls wurde besprochen, dass es immer noch extreme Beispiele für Unbenannte und Benannte gibt. Viele kennen den Begriff Transgender, jedoch kennt nur ein Bruchteil von Menschen den Begriff Cisgender. Dieser Begriff, der die Unbenannten bezeichnet, wird zumeist von diesen nicht gekannt, da sie ja als “normal” gelten und nie dachten, einen Begriff dafür zu brauchen.

Wer gerne den Videomitschnitt der Lesung ansehen möchte, kann sich per E-Mail an youtube@sts-ba.de wenden.

 Viel Spaß beim Anschauen!

Hannah Menschel, 13NW